Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Volkswagen
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Volkswagen Engagement in Südafrika: „Wenn wir es nicht machen, macht es keiner“

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Volkswagen Engagement in Südafrika: „Wenn wir es nicht machen, macht es keiner“

27. Mai 2020

Thomas Schäfer, Chef der Volkswagen Group South Africa, spricht im Interview über das außergewöhnliche Engagement des Autoherstellers im Kampf gegen die Corona-Pandemie.

4 Minuten Lesezeit
Porträt, Herr Schäfer

Herr Schäfer, mit Blick auf Corona haben Sie unlängst gesagt: „Prepare for the worst, hope for the best“ – auf das Schlimmste vorbereitet sein, das Beste hoffen. Wo befindet sich Südafrika Ihrer Einschätzung nach aktuell?

Das lässt sich nur schwer einschätzen. Auf der einen Seite haben wir bei uns im Land eine vergleichsweise geringe Zahl an Covid-19-Infizierten. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass die südafrikanische Regierung einen harten Lockdown verordnet hat. Wir standen quasi sechs Wochen lang unter Hausarrest, durften nicht mal joggen oder mit dem Hund spazieren gehen. Da haben sich auch fast alle drangehalten. Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Zahl an Infizierten und Todesopfern nicht senkrecht in die Höhe geschossen ist, wie es in anderen Ländern der Fall war. Ich befürchte allerdings, dass die Zahlen etwas trügerisch sind. Schließlich wird hier nicht so großflächig getestet. Und noch etwas macht mir Sorgen…

Was denn?

In Südafrika ist die Quote der Menschen, die immunvorgeschädigt sind, extrem hoch, aufgrund von HIV, Tuberkulose und Mangelernährung. Hinzu kommt, dass die Menschen in den Townships auf engstem Raum zusammenleben. Wenn die Infektion hier um sich greift, bekommen wir große Probleme. Unser medizinisches System wird dann ganz schnell an seine Grenzen gelangen. Ende März, kurz nach Beginn des Lockdown, war ich als Vertreter von Volkswagen beim Krisenstab der Region. Als mir die Experten dort aufgezeigt haben, mit wie vielen Todesfällen sie rechnen, bin ich fast in Ohnmacht gefallen. An dem Tag ist mir bewusst geworden: Wir von Volkswagen müssen mit an Bord und unterstützen, wo wir können. Schließlich verfügen wir bei uns im Werk nicht nur über technische Kapazitäten, sondern auch über Mitarbeiter mit Know-how. Deshalb haben wir eine Task Force gegründet und gemeinsam überlegt, was wir als Unternehmen zur Bewältigung der Krise beitragen können.

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Thomas Schäfer (links) führt den Premierminister der Region Eastern Cape, Oscar Mabuyane, durch die Fabrikhalle, wo bis vor ein paar Monaten Komponenten für Volkswagen gefertigt wurden. Die Halle wird aktuell zu  einem Behelfskrankenhaus umgebaut.

Ein großes Thema sind fehlende Kapazitäten in Krankenhäusern.

Wir haben hier in der Region rund um Port Elizabeth etwa 3.500 Krankenhausbetten. Von denen waren vor Ausbruch der Corona-Pandemie bereits 3.000 belegt. Wir brauchen, so die Berechnungen der Experten, aber 7.000 bis 8.000 Betten, um alle Corona-Patienten behandeln zu können. Kurzum: Wir benötigen einen Krankenhaus-Überlauf.

Und da kommt Volkswagen ins Spiel…

Wir haben ein fast 70.000 Quadratmeter großes Fabrikgebäude, in dem wir bis vor ein paar Monaten Komponenten gefertigt und Ersatzteile für unsere Händler gelagert haben. Die Komponentenfertigung ist mittlerweile in ein Gebäude in die Nähe unseres Werks gezogen, das Ersatzteillager nach Kapstadt. Das alte, leerstehende Gebäude hätte eigentlich in Kürze verkauft werden sollen, jetzt stellen wir es als Behelfskrankenhaus zur Verfügung. Die Mediziner waren gleich hellauf begeistert, als wir ihnen das Gebäude zum ersten Mal gezeigt haben. Es ist sehr groß, es kommt über Fenster im Dach viel Tageslicht rein und es verfügt über große Tanks, in denen wir früher Argon für Schweißgeräte gelagert haben. Die werden nun zu Flüssig-Sauerstofftanks umgebaut. Schließlich wird zur Versorgung von Corona-Patienten jede Menge Sauerstoff benötigt.

Wer betreibt das Krankenhaus?

Wir können bei Volkswagen Autos bauen – aber keine Menschenleben retten. Deshalb war für uns von Anfang an klar: Wir stellen die Fabrik zur Verfügung und bereiten das Krankenhaus bis zur Schlüsselübergabe vor, betreiben muss es aber jemand anderes. Das übernimmt das Gesundheitsministerium hier vor Ort.

Wie wird das Projekt finanziert?

Wir haben in der Vergangenheit schon verschiedene Projekte gemeinsam mit dem Bundesentwicklungsministerium in Berlin umgesetzt. Als wir dem BMZ nun von unseren Plänen berichtet haben, war man dort hellauf begeistert und hat uns zugesagt, den Aufbau des Behelfskrankenhauses mit mehreren Millionen Euro zu unterstützen. Die Anträge wurden in Rekordgeschwindigkeit genehmigt.

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Nach dem Vorbild von SEAT wurden auch im Volkswagen Werk Uitenhage Beatmungsgeräte hergestellt.
Wir bei Volkswagen engagieren uns auch unabhängig von der aktuellen Krise für das Gemeinwohl.
Thomas Schäfer
Chef der Volkswagen Group South Africa

 

Wie lange dauert es, bis die ersten Covid-19-Patienten in der ehemaligen Fabrik behandelt werden können?

Hätten wir die ganze Halle auf einmal umgebaut, hätte es knapp vier Monate bis zur Fertigstellung gedauert. Um aber so schnell wie möglich die ersten Patienten aufnehmen zu können, haben wir entschieden, die Halle in drei Etappen umzubauen. So können wir schon in Kürze den ersten Bereich mit knapp 1.500 Betten übergeben, während die Handwerker in den beiden anderen Bereichen – räumlich getrennt von den Patienten - weiterarbeiten. Am 22. Juni soll das Behelfskrankenhaus dann komplett fertig sein, dann können hier 4.000 Patienten behandelt werden. Präsident Ramaphosa hat sich bereits zur Schlüsselübergabe angekündigt.

Woher rührt das außergewöhnliche Engagement von Volkswagen Südafrika im Kampf gegen das Corona-Virus?

Wir bei Volkswagen engagieren uns auch unabhängig von der aktuellen Krise für das Gemeinwohl. Angefangen bei unserem Volunteer-Programm „Show of Hands“, bei dem unsere Mitarbeiter viermal im Jahr ausrücken und ehrenamtlich soziale Einrichtungen renovieren, über HIV-Präventionsarbeit bis hin zu Bildungsprojekten. Lesen und Schreiben lernen ist in den vergangenen zwei Jahren eines unserer Kernthemen gewesen. Das Schöne ist: Mit ein bisschen Geld und viel Engagement kann man in Südafrika viel bewegen. Uns war deshalb schnell klar, dass wir hier als Volkswagen im Kampf gegen Corona eine noch größere Rolle als im Rest der Welt spielen müssen. Denn: Wenn wir es nicht machen, macht es keiner.

Wie stehen die Mitarbeiter zu diesem Engagement?

Die Mannschaft hat das super aufgenommen. Hier haben alle an einem Strang gezogen; viele haben sich gemeldet und wollten sich einbringen. Mir wurde immer wieder gespiegelt, wie stolz die Menschen sind, bei Volkswagen zu arbeiten. Und auch in der Öffentlichkeit kommt unser Engagement natürlich gut an. Man muss dazusagen, dass unserem Unternehmen hier ohnehin schon große Sympathien zufliegen; für viele Südafrikaner ist Volkswagen ein Teil der Familie. Einige wissen gar nicht, dass es ein deutsches Unternehmen ist.

Vielen Dank!