-> Hinweis: Wir geben uns große Mühe, das Transkript fehlerfrei anzufertigen, möchten aber darauf hinweisen, dass das gesprochene Wort gilt. Darüber hinaus haben wir an einigen Stellen Sätze zur besseren Lesbarkeit etwas vereinfacht.
[Intro]
[Anfahr- und Bremsgeräusch des ID.3]
Alina: Nicht wundern, das ist kein neues Intro des Podcasts. Das war ein ID.3, wie er auf 30 Stundenkilometer beschleunigt und wieder abbremst. Wenn ihr euch jetzt fragt, warum wir uns das anhören, hat das einen ganz bestimmten Grund für diese Folge.
Vincenzo: Ja, wir haben es angehört, weil wir heute über die Sounds der Zukunft sprechen. Wie klingt eigentlich Elektromobilität? Und dazu sprechen wir später mit Indra-Lena Kögler. Sie ist UX-Designerin bei Volkswagen.
Alina: Und wir haben zu Gast Professor Dr. Philip Leistner. Er ist Direktor des Instituts für Akustik und Bauphysik IABP an der Universität Stuttgart und leitet außerdem das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. Vince, wie klingt das denn für dich? Die Sounds der Zukunft?
Vincenzo: Sehr nach Zukunft. Sehr futuristisch. Für mich sehr besonders. Denn du weißt ja, ich liebe Autos. Und manchmal befinde ich mich noch so ein bisschen in dieser alten Welt, wo ich mir vorstelle, dass ich in ein Auto steige, da den V6 anmache, der so ein warmes, schönes Geräusch abliefert und das mir ein Feedback gibt. Und hier ist es ein bisschen anders. Es ist so ein künstlicher Sound, der sehr nach Zukunft klingt und was ich finde, sehr zu dieser Art des Fortbewegungsmittels passt. Denn es ist ja einfach ein Elektroauto und kein Auto mit Verbrennungsmotor. Und dazu passt dieses futuristische einfach gut finde ich.
Alina: Ja genauso. Mit dem Wandel zu E-Mobilität wird das Auto ganzheitlich neu gedacht. Nicht nur eine Batterie eingebaut, sondern eben auch Fahrgefühl und Sounds ändern sich. Tatsächlich ist es so, dass E-Autos weniger Geräusche fabrizieren als herkömmliche Verbrenner. Erst ab einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometer ist das Abroll-Geräusch der Reifen laut genug, um von anderen Verkehrsteilnehmenden wahrgenommen zu werden, was ja total wichtig ist, damit die Sicherheit im Straßenverkehr gegeben ist. Bei Geschwindigkeiten darunter muss es also einen Sound geben, so einen wie wir eben gehört haben, damit das Auto nicht unbemerkt bleibt.
Vincenzo: Superspannend daran ist, finde ich persönlich, dass alle Hersteller quasi diesen Sound frei kreieren können, was ja enorme Möglichkeiten jetzt gibt für die ganzen Designerinnen und Designer, die sich daran setzen müssen und jetzt den Sound eines ID.3 oder ID.4 kreieren müssen. Ich glaube, dass es mega spannend. Ich freue mich auch schon super auf das Gespräch mit Indra.
Interview mit Indra-Lena Kögler
Alina: Sie ist UX Designerin bei Volkswagen und weiß ganz genau, worauf es bei Sounds von Autos ankommt. Hi Indra, schön, dass du da bist.
Indra: Hi Alina, danke für die Einladung. Ich freue mich auch.
Alina: Du bist ja UX Designerin. Was ist es eigentlich und was hat dieser Beruf mit Sounds zu tun?
Indra: Ja, die Frage, die stellen sich bestimmt viele Leute, weil es gerade ganz viele UX Designer gibt und auch UX Designer gesucht werden. Wir bei Volkswagen Design nehmen uns dem Thema halt auch an und UX steht für User Experience. Das heißt das Erleben, das Erleben eines Produktes. Und wir wollen natürlich, dass unsere Fahrzeuge unsere Kunden unterstützen. Und da setzen wir an mit unseren Themen Licht-Design, Licht-Inszenierung und das eben im Zusammenspiel mit dem Sounddesign. Also wenn ich zum Beispiel jemanden, der gerne wissen will, hat mein Touch funktioniert, dass ein Tab-Sound und kommt, das Warn-Sounds da sind und das Ganze eben zusammen mit Licht.
Vincenzo: Und wenn du jetzt von diesen Sounds sprichst, die ihr dort erstellt, wie macht ihr das genau? Weil die sind ja künstlich, oder?
Indra: Ja, genau. Also es sind synthetische Sounds. Aber das ist uns auch wichtig, dass wir euch irgendwas vorgaukeln, was eigentlich gar nicht da ist. Wir sind ja ganz bewusst in die Richtung E-Mobilität gegangen mit Volkswagen. Und das wollen wir eben auch zeigen und entsprechend auch gut gestalten.
So, du hast jetzt gefragt, wie wir da eigentlich vorgehen, wie wir uns dem Thema annehmen. Also am Anfang, das dauert ja fünf Jahre ein Fahrzeug zu entwickeln, also die ganze Technologie, das Design, alles. Das dauert eben seine Zeit, bis der Wagen dann wirklich auf die Straße kommt. Und am Anfang treffen sich alle Disziplinen im Unternehmen, auch alle Design-Disziplinen. Und wir überlegen uns, was wird das für ein Produkt und wie müssen wir das Produkt für die Kunden am besten erlebbar und bedienbar machen? Und schon da sitzen wir mit unseren Design-Werten an. Das sind so Leitlinien. Also jeder. wenn er morgens aufsteht, sagt ich will jetzt Spaß haben und setzt sich ja auch irgendwas in den Kopf, wie will ich denn Spaß haben? Und wir fragen uns auch: Wie wollen wir denn gestalten? Und wir bei Volkswagen im Design, wir gestalten nach den Prinzipien der Logik. Das sind zum Beispiel diese Warntöne, die ich gerade beschrieben habe. Die müssen ja zu einem logischen Zeitpunkt und in einer logischen Konsequenz kommen, sodass ich als Kunde weiß: was muss ich denn jetzt machen? Muss ich bremsen? Muss ich hingucken? Also es muss logisch sein. Auch unsere Exterieur-Linien sind logisch geführte Designs. Aber ganz wichtig: Das ganze muss auch sinnlich sein. Für den Sound heißt das jetzt, dass wir keine harten Anschläge nehmen, nicht so hohe Frequenzen.
Dann muss es natürlich sympathisch sein, das ist ja eins unserer Ur-Kernwerte von Volkswagen. Und dann ist uns ganz wichtig, dass wir nicht zu laut werden. Also wir sind pur in unserer Design-Sprache. Laut heißt dem Fall nicht die Dezibel-Zahl, sondern wenn man jetzt zu oft einen Sound ausgäbe. So was würden wir nie machen. Das sind unsere Design-Werte für alle unsere Disziplinen, auch für uns im Sound.
Alina: Wenn wir uns jetzt die Transformation von den Verbrenner-Autos zur E-Mobilität anschauen, wo liegen denn da im Sound zwischen diesen verschiedenen Fahrzeugen die Unterschiede?
Indra: Ja, also das ist wirklich die Kernfrage. Und eigentlich haben wir uns im Design auch stark erst angefangen zu beschäftigen mit dem Thema Sounddesign, mit der E-Mobilität. Und zwar wir haben ja auch ganz viele Nachbar-Abteilungen, die sich mit Sound beschäftigen. Da gibt es Materialforschung und so weiter, dass die Türen satt klingen, wenn man sich schließt.
Dann gibt es unsere Kollegen aus dem Gesamt-Fahrzeug, die auch schon unsere Verbrenner-Sounds jahrzehntelang bearbeitet haben, aber jetzt in diesem neuen Zeitalter, wo praktisch die Gestaltungsfreiheit unendlich ist, wenn wir nicht diese Design-Werte nennen, da ist das eben jetzt eine Design-Disziplin geworden und wir arbeiten ganz kollaborativ zusammen.
Also anders ist für den Außensound, dass man theoretisch sehr frei gestalten kann. Theoretisch deshalb, weil es ein paar gesetzliche Vorgaben gibt. Also man darf jetzt keine Pferde-Geklapper zum Beispiel machen oder so. Man muss schon in bestimmten Frequenzen erkennen können, dass da ein Fahrzeug kommt. Das ist neu. Und es ist neu, dass der Innenraum sehr ruhig ist, weil ja das Motorengeräusch fehlt. Und da braucht man zum Beispiel eine Indikation: Ist mein Wagen fahrbereit? Wenn man das noch nicht gewohnt ist. Und wir müssen ganz neu insgesamt interdisziplinär mit allen Abteilungen schauen, dass unser Sounddesign, das jetzt viel klarer wahrnehmbar ist, ohne das Motorengeräusch eben passend zu unserer Marke.
Alina: Für viele Menschen ist dieser Sound von Verbrenner-Motoren sehr charakteristisch fürs Auto. Würdest du jetzt sagen das mit dem Wandel zum E-Antrieb das Fahren an Emotionalität verliert?
Indra: Nein, ich habe jetzt ein paar Sekunden gezögert, bis ich Nein gesagt habe, weil das natürlich ein Thema ist. Also es gibt bestimmt Petrol Heads, die einfach Verbrenner lieben und wirklich Benzin im Blut haben. Und diese Menschen, die werden auch die nächsten 10 Jahre wahrscheinlich noch diesen Sound brauchen. Aber der Großteil der Gesellschaft befindet sich im Wandel. Wir sehen die Fridays for Future Bewegungen. Wir sehen immer mehr Themen, dass Plastik eingespart wird. Wir sehen, dass es immer klarere Regularien und Verpflichtungen, Selbstverpflichtungen der Unternehmen gibt zur Umweltfreundlichkeit und die Gesellschaft an sich befindet sich im Wandel.
Deshalb könnte ich mir sehr gut vorstellen und sehe, dass hier in Berlin, wo ich lebe, auch schon, dass die Maßstäbe, an denen man etwas bemisst, sich ändern. Und deshalb haben wir uns eben hingesetzt im Design und haben gesagt Mensch, wir wollen ja weiterhin sinnlich sein und innovativ und sympathisch. Und natürlich wollen wir den Fahrspaß haben. Und deswegen haben wir jetzt diese Disziplinen Licht in der Scheibenwurzel. Wenn das keiner kennt: Im Film gibt es das bei Knight Rider. Wir haben das in der Scheibenwurzeln und da gibt es ein Licht Feedback. Und diese Licht-Interaktion haben wir gekoppelt mit dem Sounddesign und das sozusagen gibt wieder einen neuen Kick. Man kommt ja viel schneller los beim E-Motor als mit dem Verbrenner. Und das ist dann noch mal unterstrichen durch Licht und Sound und gibt eine ganz neue Qualität an Spaß, an Fahrspaß.
Vincenzo: Wir haben vorhin uns schon einen Sound angehört und zwar den eines ID.3. Aber jetzt mal die Frage an dich: Wie muss denn ein E-Auto von Volkswagen klingen?
Indra: Ja, ein Auto von Volkswagen muss, wie ich das eben gesagt habe, eben den Charakter des Fahrzeugs widerspiegeln. Das heißt, das Exterieur Design, das Interior Design und das Sounddesign müssen eine Sprache sprechen. Und da haben wir uns herangetastet. Über zwei Jahre, immer wieder mit ganz vielen Probanden. Und zum Schluss haben wir gesagt, dieser Sound muss sinnlich sein, er muss die Innovationskraft tragen, aber er darf vor allem auch nicht stören. Und deshalb haben wir eben herausgefunden, dass es wunderbar zu dieser ganzen Exterieur Sprache passt, wenn wir eben lebendige Tiefen haben und so leichte Höhen, die mitwandern. Es ist also ein sehr lebendiger Ton, ein sehr selbstverständlicher Ton, hat aber eben doch so bisschen was, was man aus den ganzen Zukunftsfilmen so von UFO's gehört hat. Und somit ist es eben sympathisch und sinnlich gleichzeitig - und innovativ.
Vincenzo: Ja, voll spannend. Ich habe es vorhin auch schon als sehr futuristisch beschrieben. Deswegen passt es ja ganz gut mit dem, was du sagst.
Indra: Cool!
Vincenzo: Und ich habe jetzt auch noch eine Frage. Muss denn ein ID.3 anders klingen als der ID.4 oder klingen die ähnlich, macht ihr da Unterschiede?
Indra: Auch das ist eine total spannende Frage. Genau. Es ist so, diese E-Mobilität hat sich ja noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Das heißt, wir wissen jetzt auch noch nicht, wie unsere Wettbewerber mit dem Sounddesign umgehen. Wir bei Volkswagen nehmen unsere Verantwortung gegenüber den Menschen auch wahr, deren Alltag zu gestalten mit diesen Geräuschen. In den Großstädten haben wir vielleicht später 40 Prozent ID.-Fahrzeuge, die alle nebeneinander fahren.
So, und deshalb haben wir uns dazu entschieden, einmal in der gleichen Kleinfamilie zu bleiben, für die ersten ID. Fahrzeuge und werden nur in diesen Tiefen unterscheiden, die ich gerade beschrieben habe, weil es ganz wichtig ist, dass, wenn ich das Fahrzeug noch nicht sehe, trotzdem eine Vorstellung davon habe, wie groß dieses Fahrzeug ist, das sich auf mich zubewegt.
Ja, also auch wenn ich allein auf dem Fußgängerweg laufe, ins Handy gucke, bin ich ja wie blind. Und wir müssen über den Sound schon signalisieren: Ich bin ein großes Fahrzeug, ich bin ein kleineres Fahrzeug, damit man erahnen kann, wie schnell man zu reagieren hat. Das heißt, es ist dieselbe Sound Familie mit denselben großen Charakter-Merkmalen. Es ist aber angepasst an das Fahrzeug Volumen und damit wollen wir erst mal losfahren, um wirklich den Proof of Concept zu haben aus dem echten Leben. Wenn wirklich viele Fahrzeuge unterwegs sind, unsere und auch andere Marken, wie funktioniert das in den Großstädten? Wie funktioniert das in der Natur?
Vincenzo: Ja, spannend, auf jeden Fall. Aber Indra sage mal, welche Sounds werden denn in einem ID. von euch überhaupt noch designt? Neben diesen Fahrsounds?
Indra: Ja, also da haben wir einige Sounds. Ich habe auch ein paar Beispiele dabei.
Vincenzo: Oh ja, cool.
Indra: Aber ja, es gibt ein paar Sound-Gruppen. Und zwar das eine sind Klänge, die eher zum Emotionalisieren da sind, damit man sich wohl fühlt. Und dann gibt es eine Klanggruppe, die sind Warnungen und Hilfestellungen in der Bedienung, das sind die zwei Hauptgruppen, die erst mal die ersten relevant sind. Und ich spiel euch mal was vor, wo wir lange dran gearbeitet haben.
[Geräusch eines Blinkers]
Vincenzo: Das ist ein Blinker.
Indra: Genau, und das ist ein Blinker und ihr könnt es nicht vorstellen, es gibt ja ein Konzept, das nennt sich MAYA: Most Advanced, Yet Accepted, also weit nach vorne gedacht, aber zu akzeptieren. Und gerade bei so einem Blinker, der stand ja wirklich von der mechanischen Relay früher - ist ja jetzt auch nicht mehr. Na, das ist auch neu im E-Auto und wir wollten auf keinen Fall ein Klick Klack einfach nur wieder haben, weil das eben nicht sinnlich genug gewesen wäre. Und sind dann eben mit diesem Sound gekommen, um richtig schön fokussiert zu sein.
[Sound spielt ab]
Indra: Das ist jetzt ein Sound, aus der ersten Gruppe, eben zu emotionalisieren, weil ja das Motorengeräusch wegfällt beim Starten, wenn der Wagen fertig ist, zum Losfahren. Ready to drive, sagen wir. Und da ist zum Beispiel, dass eben dieses Licht vorne dich umarmt und dieser Sound dazu eben auch wie bei einem ja, die Energie ist da, du kannst losfahren.
Vincenzo: Ich finde, es ist ein super sinnvoller Sound, denn wir haben vorhin schon drüber gesprochen. Manchmal fehlt einfach dieses Feedback, das man braucht, um zu wissen, dass Autos ist jetzt an. Und wenn es das dann durch so einen schönen Sound gibt, dann weiß ich, ich kann loslegen.
Indra: Genau. Und das alles ist auch abgerundet mit unserem neuen Sound Logo.
[Volkswagen Melodie spielt ab]
Indra: Ihr merkt, dass das alles so aus der gleichen Welt. Wir haben überall die Sinnlichkeit drin, aber auch Power, das Sound Logo kann man sich einstellen, dass man, wenn man aussteigt, dass man dann eben das Soundlogo hat, dass einen der Wagen verabschiedet. Einen schönen Tag wünscht, gutes Meeting, gutes Treffen. Das haben wir in Zusammenarbeit mit dem Marketing entwickelt.
Alina: Vielen lieben Dank für die ganzen Einblicke in das Sounddesign bei Volkswagen. Danke, dass du dir Zeit genommen hast. Mach's gut.
Indra: Ja, vielen Dank für euer Interesse. Einen schönen Tag. Tschau.
Interview mit Prof. Dr. Philip Leistner
Vincenzo: Lass uns mal Sound aus einer anderen Perspektive beleuchten, denn ich frage mich: Wie wirken sich eigentlich E-Autos auf unsere Umwelt aus und können sie auch maßgeblich zur Lärmreduktion beitragen?
Alina: Dazu sprechen wir jetzt mit einem Experten für akustische Stadtgestaltung. Professor Dr. Philipp Leistner lehrt an der Uni Stuttgart zu diesem Thema und leitet außerdem das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. Hallo Professor Leistner.
Prof. Leistner: Hallo zusammen.
Vincenzo: Akustische Stadtgestaltung, Herr Leistner, das klingt komplex, finde ich. Was genau ist das?
Prof. Leistner: Na ja, es ist komplex, weil unsere Städte komplex sind. Und das hat natürlich mehrere Ursachen. Einerseits ist dort viel Bewegung, wir haben Verkehr, wir haben Verkauf, wir haben Wohnen, arbeiten, Leben in der Stadt. Das heißt, viele Beteiligte mit vielen Bedürfnissen. Das ist die eine Seite und die andere Seite. Wir haben natürlich auch eine meistens gewachsene, sehr komplexe bauliche Struktur Infrastruktur, Verkehrswege, Gebäude. All die Dinge, die Städte ausmachen. Und jetzt treffen dort eben viele Erwartungen und natürlich auch Hoffnungen auf einen Zustand in den Städten. Und da passt es an vielen Stellen gut zusammen. Die Erwartungen werden erfüllt. An anderen Stellen passt es noch nicht ganz so gut.
Vincenzo: Wir sitzen jetzt hier in Berlin und jetzt meine Frage: Klingen Städte unterschiedlich? Klingt beispielsweise Berlin anders als München?
Prof. Leistner: Na ja, es kommt darauf an, was verstehen wir unter dem Klang. Wenn wir jetzt den zum Beispiel den allgegenwärtigen Verkehrslärm, Straßen, Schienen etc. Baustellen, nicht Verkehr, aber Baustellen-Lärm nehmen, dann würde ich sagen, das ist ein Merkmal vieler, insbesondere großer Städte. Und da klingen die Städte auch nicht groß unterschiedlich und von Klang könnte man da auch nicht sprechen.
Es gibt aber natürlich in den Städten Unterschiede. Die Bereiche unterscheiden sich. Es gibt besonders laute Orte, belebte Orte. Es gibt aber auch Orte für Ruhe und Rückzug. Meistens zu wenige. Und dann gibt es natürlich auch manche Orte, und auf die könnte man diesen Unterschied anwenden, bei denen sich alles zusammen zu einem regelrechten akustischen Flair, würde ich fast sagen fügt. Also einer Mischung aus Natur, Geräuschen, aus Stimmengewirr, aus Musik. Und an diesen Stellen, die uns natürlich auch wichtig sind, da denke ich, werde nicht besonders ich, aber die Menschen, die in den Städten leben, schon sagen, das klingt schon sehr unterschiedlich.
Also ja und nein. Bestimmte Merkmale sind, glaube ich, überall gleich und an anderen Stellen gibt es natürlich feine, aber auch wichtige Unterschiede.
Alina: Wie stark beeinträchtigt denn der Straßenverkehr die akustische Qualität einer Stadt?
Prof. Leistner: Also wenn man den unbändigen Mobilitätsbedarf, den wir immer noch haben, betrachtet, dann ist der Straßenverkehr auch statistisch und auch durch Untersuchungen nachweislich schon eine massive, eine wesentliche Größe. Und das zählt natürlich, gilt natürlich auch in puncto Lärm: Der Straßenverkehrslärm ist allgegenwärtig, an den meisten Orten vorhanden. Und er wird auch wenn man die Menschen in den Städten fragt oder generell fragt, wird auch der Straßenverkehrslärm als die Lärmquelle Nummer Eins genannt, wenn es in puncto Belästigung, Störung und dergleichen geht. Also es ist schon eine maßgebliche Größe bezüglich des Lärms und damit auch der akustischen Qualität von Städten.
Alina: Mit welchen Maßnahmen können Städte denn dann den Verkehrslärm reduzieren?
Prof. Leistner: Da gibt es die unbeliebten und die beliebteren Varianten. Die unbeliebten sind, kennen Sie alle: Geschwindigkeit reduzieren, Fahrten zum Beispiel LKWs gar nicht erst in die Stadt reinlassen, natürlich um die Geschwindigkeitreduzierung auch durchzusetzen, blitzen. Also da gibt es schon eine ganze Reihe von Möglichkeiten, sagen wir mal organisatorischer Art, mit entsprechenden technischen Hilfsmitteln. Dann gibt es aber natürlich auch die Verkehrslenkung, die Verkehrssteuerung.
Und, last but not least gibt es dann eben auch die auch nicht so beliebten, weil sie meistens auch Geld kosten, Möglichkeiten, baulich einzugreifen. Also zum Beispiel zwischen den Verkehrsadern und den Bereichen in der Stadt, in denen sich Menschen aufhalten, Barrieren aufbauen, Lärmschutzwände aller Art, die auch nicht wirklich immer in so eine Stadtlandschaft reinpassen. Manche probieren auch den sogenannten Flüsterasphalt, ist etwas übertrieben, aber sozusagen auch den Straßenbelag so zu gestalten, dass es etwas leiser wird. Also eigentlich eine Palette von Maßnahmen, die aber alle mit Einschränkungen und mit Wenns und Abers zu tun haben, sodass man sie eigentlich nicht wirklich haben möchte, aber braucht.
Vincenzo: Könnten denn E-Autos einen positiven Effekt auf die akustische Qualität einer Stadt haben, also dadurch, dadurch dass sie leiser sind?
Prof. Leistner: Wenn wir davon ausgehen, dass die E-Fahrzeuge im Mittel leiser sind, dann hat es natürlich Konsequenzen. Und ich denke auch, dass dann ab einem bestimmten Punkt die E-Fahrzeuge mit ihren deutlich leiseren Antrieben – darin unterscheiden sie sich ja, also den Motoren – dass die dann auch zu einer Beruhigung der Städte beitragen. Vielleicht nicht an jedem Ort und es wird auch sicherlich nicht lautlos werden. Aber insgesamt, und da kann man ja auch steuernd eingreifen, wird es sich beruhigend auf die Stadt auswirken und damit auch die akustische Lebens- und Aufenthaltsqualität verbessern. Aus meiner Sicht jedenfalls.
Alina: Ist die automobile Zukunft denn dann frei von Lärm und Stress?
Prof. Leistner: Also, jetzt bringen Sie zwei Dinge ins Spiel. Frei von Lärm? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich werde ich es nicht erleben. Es müssen ja jetzt nicht nur die E-Fahrzeuge leiser werden, also die PKWs leiser werden, sondern auch die LKWs. Motorräder stehen noch auf der Agenda und so weiter. Also vorstellbar ist es sicherlich, dass alles zusammen umgesetzt in signifikanter Menge, dass also die wenigen lauten Fahrzeuge, die es dann vielleicht noch gibt, auch leiser geworden sind. Dann ist es schon so, dass es insgesamt leiser wird. Es ist durchaus möglich.
Die große Frage, die wir uns alle stellen, ist: Wann wird es so sein? Wir haben ja jetzt, wenn ich es richtig verstanden habe dieser Tage erreichen wir die eine Millionengrenze zugelassener E-Fahrzeuge. Also da besteht eine gewisse Hoffnung. Aber wahrscheinlich müssen wir da alle auch noch etwas Geduld aufbringen. Aber die Aussichten sind positiv, möchte ich wirklich sagen.
Alina: Und wenn wir jetzt ganz generell betrachten, ist Stille jetzt das Optimum für das menschliche Wohlbefinden. Also geht es uns bei Stille oder ruhigerer Umgebung gleichzeitig auch besser?
Prof. Leistner: Da müssen wir auch wieder bei den Begriffen etwas aufpassen. Wenn wir jetzt mit Stille. Machen ja manche Dinge, die Totenstille oder Friedhofstille meinen, mit dem Begriff, dann ist es sicherlich nicht der erstrebenswerte Zustand, den wir erwarten. Unser Gehör ist so eine Art auch Alarm-Organ. Wir wollen viele Eindrücke über das Gehör aufnehmen. Unser Ohr ist auch nachts, wenn wir schlafen, wach und nimmt diese Eindrücke auf. Also Lautlosigkeit ist sicherlich nicht das Ziel, was wir haben. Ruhe hingegen ist ein sehr erstrebenswertes Ziel und wir haben es auch dringend nötig in unserer Welt, in unserer Arbeits- und Lebensumgebung. Ruhe ist wichtig für unsere Gesundheit. Ruhe ist wichtig für Wohlbefinden und Ruhe ist auch wichtig für unsere Leistungsfähigkeit, ob jetzt in der Freizeit oder im Beruf. Also Ruhe - ja, Stille ist sicherlich zu viel oder zu wenig Geräusch.
Vincenzo: Und gibt es Geräusche, die jetzt neben Ruhe angenehm für den Menschen sind?
Prof. Leistner: Dazu würde ich auch gerne ein bisschen weiter ausholen. Dazu müssen wir wissen: Wie wirkt denn Schall auf uns, auf uns Menschen? Und da gibt es, im Wesentlichen würde ich drei Punkte nennen.
Der erste, das sind die tatsächlich erwarteten akustischen Größen. Also wie laut ist Schall? Wie lange bin ich ihm ausgesetzt? Und natürlich: Was ist das für ein Geräusch? Also die Frequenz Zusammensetzung. Ist es Musik? Sind es Töne, Klänge oder es ist Rauschen? Oder enthalten die Schall Signale, Informationen, nicht zuletzt auch Sprache und dergleichen. Das sind die sogenannten Reiz- und Empfindungsgrößen. Das ist Punkt Nummer eins.
Punkt Nummer zwei: Auch wichtig ist, wie wir Menschen, und da auch jeder einzelne, wie unsere Disposition und unserer Erfahrung mit dem Schall, mit den Geräuschen ist. Ist es also etwas vertrautes, entspricht es bestimmten Erwartungen? Da kommt auch das Sounddesign dazu und auch die Frage: Können wir das Geräusch um uns herum, können wir das beeinflussen? Können wir uns entziehen oder können wir es abschalten? Ganz wichtig: beim Straßenverkehr gibt es zum Beispiel oder beim Verkehr an sich gibt es immer wieder bei Betroffenen besondere Effekte, weil sie eben so hilflos ausgeliefert sind. Zweiter Punkt Disposition. Erfahrung.
Der dritte ist der Kontext, in dem wir diesem Schall ausgesetzt sind, also die Situation, das Umfeld, in der wir uns befinden. Und da können Sie sich vorstellen, die heimische Umgebung kurz vorm Ein-schlafen ist natürlich eine ganz andere Situation. Da wirken Geräusche ganz anders auf uns, als wenn wir jetzt in einem Konzert mit sehr vitaler zeitgenössischer Musik uns befinden.
Und wenn man diese drei Faktoren, allein die, zusammennimmt, dann kann man sowohl die angenehmen Geräusche oder die akzeptierten, aber auch natürlich die anderen Geräusche schon etwas abgrenzen. Ich möchte noch ein Beispiel erwähnen, ein spezielles, wenn Sie mir gestatten.
Vincenzo: Gerne.
Prof. Leistner: Und zwar stellen Sie sich vor, Sie liegen abends im Bett und kurz vor dem Einschlafen richtig müde und sagen: Jetzt klar, jetzt schlafe ich gleich. Und in dem Moment hören Sie, Sie sehen nicht, Sie hören das ganz leise Geräusch einer Mücke und Sie kennen dieses Geräusch. So, und jetzt warten Sie ab. Und dann in dem Moment, wo dieses Geräusch der Mücke jetzt auch noch verstummt, in dem Moment werden sie nervös, in dem Moment stehen sie auf, machen das Licht an. Suchen Sie sich ein Pantoffel und versuchen, irgendwie diese Mücke zu erwischen. Und das soll zeigen, die Wirkung von Schall hat nicht nur mit laut und leise zu tun, sondern das geht deutlich darüber hinaus. Das verstummte Geräusch der Mücke löst bei Ihnen eine Reaktion aus, kann eine Reaktion auslösen. Und das ist natürlich nicht unser zentrales Thema, wenn wir über akustische Stadtgestaltung reden. Aber wir sollten dabei immer betrachten, dass es um ganz viele Einflussfaktoren geht und viele Faktoren zu beachten gilt, wenn wir über akustische Gestaltung und Qualität, übrigens nicht nur von Städten, reden.
Alina: Vielen Dank für die ganzen Einblicke. Das war ein sehr spannender Austausch. Danke für Ihre Zeit.
Outro:
Vincenzo: Die Folge ist um. Ich fand, sie war super spannend. Wir haben spannende Dinge gelernt. Wir haben A gelernt, was eine Sounddesignerin bei Volkswagen macht. Wir haben B gelernt, wie ein E-Auto von Volkswagen klingen muss. Und C haben wir gelernt, was sich hinter dem Begriff akustische Qualität verbirgt.
Alina: Ein richtig guter Aufhänger für den nächsten Smalltalk.
Vincenzo: Ja, das stimmt auf jeden Fall. Ich freue mich schon, wenn ich mal damit klugscheißen kann.
Alina: Aber ist es nicht verrückt, Vinz, das war ja die sechste Folge Shaping Mobility.
Vincenzo: Sechs Folgen ein halbes Jahr, unheimlich viele spannende Gäste, spannende Themen. Ich muss sagen, es hat mir super viel Spaß gemacht und es war mir ein großes Fest.
Alina: Mir auch. Und all diese Erinnerungen werde ich mitnehmen. Nicht nur in die Sommerpause, die jetzt bevorsteht, sondern auch darüber hinaus. Denn das war tatsächlich meine letzte Folge mit euch.
Vincenzo: Ja, ich wusste das ja schon. Aber wo ich das jetzt noch mal so höre, wie das jetzt hier gerade miteinander besprechen mit euch auch da draußen: Ich muss sagen, ich bin sehr traurig und ich werde dich sehr vermissen hier als meine Co-Moderatorin. Es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht und ist einfach immer schön mit dir.
Alina: Danke, Vince, das kann ich nur zurückgeben. Aber natürlich werde ich weiter zuhören.
Vincenzo: Ja, das hoffe ich auch. Ich werde auf jeden Fall die Links schicken und ich hoffe, dass du auch abonniert hast.
Alina: Natürlich schon längst auf allen Plattformen. Ihr hoffentlich auch.
Vincenzo: Nach sechs Folgen finde ich auch mal an der Zeit, dass wir uns bei euch bedanken da draußen. Danke fürs Einschalten, danke fürs Zuhören.
Alina: Und ein ganz großes Danke auch an die Menschen hinter diesem Podcast, die ihr gerade nicht hört, die aber ganz maßgeblich dazu beitragen, dass wir diesen Podcast für euch machen konnten.
Vincenzo: Also lasst es euch gut gehen. Habt einen schönen Sommer und wir hören zumindest im Herbst wieder und Alina macht's gut,
Alina: Danke. Und wenn ihr Langeweile habt, ihr wisst ja: Es gibt fünf weitere Folgen.